Geschichte
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Baalbeck
So entstand der größte Tempel des Römischen Imperiums
Von Berthold SeewaldFreier Autor Geschichte
Veröffentlicht am 19.04.2021Lesedauer: 4 Minuten
Die römischen Ruinen des Jupiter-Heiligtums im libanesischen Baalbek zählen zu den eindrucksvollsten der Antike. Wissenschaftler haben eine App entwickelt, die Rekonstruktionen der monumentalen Anlage bis ins Detail bietet.
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Kaiser Wilhelm II. war „begeistert für die Arbeit des Spatens“, hieß es. Umgehend stellte er aus seinem Dispositionsfonds erhebliche Mittel für „die Aufnahme des Tempelbezirks des Jupiter Heliopolitanus in Baalbek“ zur Verfügung. Der Besuch der Ruinen, zugleich ein Höhepunkt der kaiserlichen Orientreise 1898, markiert den Beginn der Erforschung dieses größten Tempels der römischen Welt.
Seit 2005 arbeiteten wieder Wissenschaftler des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in dem monumentalen Areal, das seit dem Ende der Antike den bis heute nicht ganz geklärten Namen Baalbek trägt. Inzwischen weiß man genug darüber, dass die libanesische Antikenbehörde (DGA), DAI und das US-Unternehmen Flyover Zone eine App entwickeln konnten, die jetzt eine faszinierende 3D-Tour durch das monumentale Ensemble ermöglicht (http://www.flyoverzone.org).
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Verblüffend ist dabei vor allem die Gegenüberstellung der heutigen Ruinen mit Rekonstruktionen der antiken Bauten. Für zahlreiche Details sind Zusatzinformationen hinterlegt, zugleich ein eindrucksvolles Resümee Generationen übergreifender Forschung. Denn so imposant der Tempelbezirk einmal war, so wenige schriftliche Zeugnisse haben sich über ihn erhalten.
Dass der Ort, der heute 80.000 Einwohner zählt, seit etwa 10.000 Jahren besiedelt ist, verdankt er seiner Lage in der fruchtbaren Bekaa-Ebene des Libanon. Der Standort an wichtigen Karawanenstraßen und mehrere Wasserquellen dürften die wirtschaftliche Basis einer Siedlung gewesen sein, in der der semitische Wettergott Baal verehrt wurde. Nach der Eroberung der Levante durch Alexander den Großen gaben ihr die Seleukiden als neue Herren Syriens den Namen Heliopolis.
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Möglicherweise diente die Stadt auch als Festung; ein Unternehmen des römischen Feldherrn Pompejus im Jahr 63 v. Chr., von dem der jüdische Historiker Flavius Josephus berichtet, macht eine solche Deutung durchaus plausibel. Doch der Aufstieg zum international bekannten Kultzentrum begann erst, nachdem der römische Kaiser Augustus an der Küste eine Veteranenkolonie mit Namen Felix Berytus angelegt hatte.
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Dabei kam Heliopolis seine Nähe zu den großen Städten Emesa, Damaskus und Beirut zugute. Seine Bürger und regionale Herrscher wollten zeigen, dass auch sie dazugehörten und es sich leisten konnten. „Sie errichteten ihren eigenen Gottheiten luxuriöse Tempelbauten, die in Größe, Aufwand und Pracht die traditionsreichen Sakralbauten in der Mittelmeerwelt übertreffen sollten“, schreibt der Archäologe Klaus Stephan Freyberger.
Wie die Griechen waren auch die Römer darin geübt, fremde Gottheiten zu adaptieren. In diesem Fall wurde die traditionell verehrte Gemeinschaft aus Baal und der ebenfalls semitischen Astarte zur Trias Jupiter, Venus und Merkur. Für Venus und Merkur entstanden eigene Heiligtümer in der Stadt. Doch es waren die Ruinen des monumentalen Jupiter-Tempels, die zu Magneten der Forschung wurden.
Dem Zustand, den die App wiedergibt, gingen mehr als 200 Jahre Baugeschichte voraus. Am Ende des 1. Jahrhunderts war der Tempel Jupiters fertiggestellt. Mit einer Höhe von 20 Meter überragten seine 54 Säulen – jede mit einem Durchmesser von 2,26 Metern – das Artemision von Ephesos um einige Zentimeter, den Athener Parthenon um mehr als neun Meter. Einige Steinblöcke wogen rund 800 Tonnen, was sie zu den größten macht, die jemals in der Antike bewegt wurden.
Wohl unter Kaiser Antoninus Pius entstand um 150 n. Chr. der sogenannte Bacchustempel, der allerdings wohl auch dem Jupiter geweiht war und von antiken Autoren als „Weltwunder“ gerühmt wurde. Er ist zwar kleiner als der des Jupiter, gilt aber als einer der größten weitgehend erhaltenen römischen Sakralbauten, den die spätere Nutzung als Palast vor der Zerstörung bewahrte. Anfang des 3. Jahrhunderts schließlich wurden die Propyläen als Eingangshalle errichtet; von ihnen bis zur Rückseite des Jupiter-Tempels sind es fast 300 Meter. Später wurde noch ein sechseckiger Hof eingefügt.
Vor allem die Faszination orientalischer Gottheiten verschaffte Baalbek seine andauernde Popularität. Mehrere Kaiser wie Philippus Arabs oder Elagabal bezeugten ihre Verehrung, Legionäre trugen den Kult in alle Winkel des Imperiums. Erst das Christentum bereitete den Konkurrenten ein ziemlich brutales Ende.
Heute stehen vom Jupiter-Tempel noch ganze sieben Säulen. Mit dem gesamten Ausgrabungsfeld werden sie seit 1984 auf der Welterbe-Liste der Unesco geführt. Für den Libanon sind sie Nationalsymbole. Das soll den kuwaitischen Unternehmer und Mäzen Bassam Alghanim dazu bewogen haben, Baalbek virtuell zu rekonstruieren. Mit DGA, DAI und den auf Visualisierungen spezialisierten Flyover Zones des US-Informatikers Bernard Frischer hat er kompetente Partner dafür gefunden.
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